Suchen Sie gute Gründe für eine Kurzgeschichte für Demenzkranke?
„Sie sind einer der zehn Gründe, warum ich so gern hier arbeite.“
Das hat Pflegerin Melanie zu Frau Schneider auf einer Wohngruppe mit 10 Bewohnern gesagt.
Und dies ist auch der beste Grund für eine Kurzgeschichte für Demenzkranke:
Die Person, die mir gerade gegenüber sitzt.
Ich kenne inzwischen hunderte.
Betroffene, die eine Geschichte gehört haben.
Und die Kurzgeschichte für Demenzkranke hat die Situation positiv verändert.
Und obendrein brauchen sie weniger Medikamente.
Glauben Sie nicht?
Hier verrate ich Ihnen nach und nach, warum ich das glaube.
Überblick über diesen Artikel
Ich nenne Ihnen jetzt 33 Gründe, warum eine Kurzgeschichte für Demenzkranke so effektiv ist. Zunächst geht es darum, was es dem Zuhörer bringt, wenn Sie ihm vorlesen. Die nächsten Punkte zeigen, warum Vorlesen die Beziehung stärkt. Weiter zähle ich Aspekte dafür auf, warum eine Kurzgeschichte für Demenzkranke überhaupt „funktioniert“. Dann geht es nochmal um die Vorteile von Vorlesegeschichten im zwischenmenschlichen Bereich. Zuletzt gebe ich Ihnen nochmal ein paar Gründe mit, die Ihnen ein Lächeln aufs Gesicht zaubern sollen – damit Sie Ihrem Gegenüber das nächste Mal voller Vorfreude eine Geschichte mitbringen.
I. WAS BRINGTS?
#1: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke … kann die Krankheit verlangsamen
Der Fernseher wird angeschaltet. Und das Hirn schaltet sich aus. Was dagegen regt das Gehirn an? Gespräche, Bewegung, geistige Anregung. Doch woher kommen die Ideen? All das bieten Kurzgeschichten für Demenzkranke. Ich lese gerne Geschichten vor oder erzähle welche. Gerne kombiniert mit Gesprächen. Oder mit Gymnastik. Oder mit Spielen. Ich bin davon überzeugt: So kann man den Verlauf einer Demenz verlangsamen. Warum? Verrate ich gleich.
#2: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke… stimuliert die Gedanken
Wenn man körperlich arbeitet, wird eine bestimmte Hirnregion aktiviert. Dieselbe Gegend im Gehirn stimuliert aber auch ein Text, in dem es um körperliche Arbeit geht. Dies konnten Forscher mit Hilfe von Magnetresonanztomographen nachweisen. Eine bildhafte Sprache bewirkt laut dieser Untersuchung noch mehr: Sie stimuliert unsere Gedanken. Das Wort „Parfüm“ aktiviert die Region in unserem Gehirn, die Gerüche verarbeitet (den olfaktorischen Kortex). Bilder wie „Er hat eine raue Stimme“ stimulieren den Bereich, der für den Tastsinn zuständig ist (den sensorischen Kortex). Mit Geschichten und Ideen aus meinem Buch „Frau Lehmann und der Schneemann“ können Sie die Gedanken Ihres Angehörigen anregen. Und Worte produzieren.
#3: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke… wird zur Wort-Produktions-Maschine
Jeder Autor weiß: Floskeln, Redewendungen und leere Phrasen lähmen jeden Text. Romanschreiber streichen sie aus ihren Manuskripten. Wenn ich Menschen mit Demenz vorlese, ist das anders. Natürlich sollten Geschichten für sie nicht mit leeren Sprüchen überladen sein. Aber ich baue hin und wieder einen Satz ein, den mein Gegenüber ergänzen kann. Beispiele:
- „Man sieht: Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst … hinein.“
- „Aha. Je später der Abend, desto schöner die … Gäste.“
- „Nichts wie ran ans Werk. Denn: Morgenstund hat Gold im … Mund.“
Das aktiviert – und gibt meinem Gegenüber außerdem Mut. Und ich höre Sätze wie: „Ah, ich kann ja noch was.“ Und …
#4: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke… dreht am Zeiger
Die Tage werden lang. Besonders, wenn jemand einsam ist. Oder krank. Verkürzen kann man die Tage mit Geschichten. Sie nehmen die Langeweile. Sie sorgen für Abwechslung und heben die Stimmung. Wenn auch gerade nichts passiert: Geschichten kurbeln den Zeiger nach vorne. Denn…
#5: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke… macht das Jetzt schön
Vieles hat Dorothea vergessen: Das, was sie gerade vorher gegessen hat. Den Namen ihrer Enkelin. Den Namen der Stadt, in der sie lebt. Aber wenn ihr jemand eine Geschichte vorliest, wird sie ganz aufmerksam. Sie spricht ganze Sätze mit, lächelt und ihre Augen leuchten (Demenz Bücher). Beim Zuhören ist die Vergangenheit, die sie vergessen hat, nicht mehr wichtig. Was zählt ist das Jetzt. Ich weiß, Folgendes ist kein Beweis. Ich habe mal ihren Puls gemessen. Vor und nach dem Vorlesen einer Geschichte. Davor war er 75. Danach 82. Vielleicht schlägt das Herz ja nicht nur schneller. Sondern auch höher.
#6: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke … lässt Menschen über sich hinauswachsen
Ich habe in Vorleserunden schon oft gestaunt. Da kann jemand ein Rätsel beantworten, von dem ich es nie erwartet habe. Ein anderer wird plötzlich ruhig und hört zu. Obwohl er vorher umherlief und nicht zu beruhigen war. Bei einer Dame leuchten plötzlich die Augen (Demenz Bücher). Was Geschichten auslösen, merkt man erst beim Ausprobieren. Versuchen Sie es einmal. Einmal habe ich was über Fußball vorgelesen. Kombiniert mit einem Quiz. Und da saß der schwer demente Friedrich. Und sagt: „Fußball.“ Aber sie schafft manchmal auch das Gegenteil. Sie…
#7: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke… ist besser als Beruhigungspillen
Eine Dame eilte im Gang des Pflegeheims umher. Hin und her. Immer wieder. Sie fand keine Ruhe. Sie war früher begeisterte Gärtnerin. Also habe ich für sie eine Geschichte geschrieben. Eine Geschichte, die im Garten handelt. „Frau Krause macht Pause.“ Frau Krause werkelt im Garten – und gönnt sich keine Ruhe. Obwohl Ausruhen ja eigentlich zum Gärtnern dazu gehört. Die Dame setzte sich hin und hörte mir zu. Sie lächelte und die Ruhe blieb danach noch eine Weile bei ihr.
#8: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke … malt Erinnerungen schön
Man darf ruhig verklärt in die Vergangenheit blicken. Dabei geht es nicht darum, Geschichte umzuschreiben. Sondern die Wahrnehmung auf das zu lenken, was aufbaut. Also eher auf das Hochgefühl des Wirtschaftswunders schauen als auf die anstrengende Arbeit in den 50ern. Nicht auf die Flucht zurückblicken, sondern auf den Kauf des ersten Autos danach. Nicht an die armen Weihnachtsfeste in und nach dem Krieg erinnern. Sondern an die schönen Heiligabende im Kreis der Familie. A propos Beziehungen … gleich verrate ich Ihnen, warum Geschichten in Beziehungen gut tun.
Erzählen und Vorlesen bringt noch viel mehr – ganz am Schluss des Artikels weitere positive Aspekte.
II. EINE KURZGESCHICHTE FÜR DEMENZKRANKE RETTET BEZIEHUNGEN
#9: … denn sie bringt Menschen zusammen
Zwei Menschen sind nie gleich. Sie sind verschieden alt. Kommen aus verschiedenen Ländern. Fühlen als Frau oder Mann anders. Vorlesen und Zuhören bringt Menschen zusammen. Egal, ob nur einer zuhört oder mehrere. Geschichten bringen jung und alt, gesund und krank, dement und nicht dement zusammen. Mit Kurzgeschichten kann man sich auf Augenhöhe begegnen. Wer gemeinsam Geschichten liest, ist in dieser Zeit nicht einsam. Und beim Vorlesen kann man auch jede Menge lernen. Ich zeige es Ihnen gleich:
#10: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke … schult die Vorleser
Wer heute dement ist, ist in einer ganz anderen Zeit aufgewachsen. Eine Welt, die denen, die sie betreuen, nicht unbedingt bekannt ist. Wie wenn der Erzähler auf einer Mauer sitzt. Beim Vorlesen schaut er auf die andere Seite. Und erzählt dem Zuhörer, was er sieht. Und dabei lernt er selbst eine ganze Menge:
- Früher gab es weniger Fahrzeuge – wie war man damals unterwegs?
- Viel mehr Menschen waren in der Landwirtschaft tätig – was haben sie den ganzen Tag gearbeitet?
- Deutschland war geteilt – und Grenzen verliefen anders. Geschichten können von Ländern und Grenzen erzählen, die wir heute gar nicht mehr kennen.
Beispiel sind auch alte Begriffe, die man heute nicht mehr so verwendet. Beispiele:
- Henkelmann.
- Liebestöter.
- Lümmel.
Kennen Sie diese Wörter? Falls nicht: Bleiben Sie dran. Ich löse später auf.
#11: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke … stärkt die Beziehung
Beim Geschichten erzählen sind zwei Menschen verbunden. Durch eine Geschichte. Geschichten machen eine Beziehung entspannter. Man tut etwas gemeinsam. Beim Erzählen und Hören befindet man sich auf Augenhöhe. Selbst wenn die Geschichte gleich wieder vergessen ist – auf der Beziehungsebene bleibt ein positives Grundgefühl zurück. Gute Geschichten tragen dazu bei, dass das Hormon Oxytocin (das sogenannte „Kuschelhormon“) ausgeschüttet wird. Dieses Hormon schafft Verbindung zwischen Menschen. Und damit nicht genug. Eine Geschichte kann eine Anleitung bieten. Worauf will ich hinaus?
#12: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke… hilft zu sagen: „Ach so geht das!“
Die Tochter wird zur Mutter. Oder der Ehemann zum Vater. Will heißen: Während einer Demenz verkehren sich die Rollen. Angehörige werden zu Betreuenden. Sie nehmen die Rolle der Mutter oder des Vaters ein. Gleichzeitig sind sie aber „nur“ Tochter oder Ehemann. Das heißt: Von ihrer eigentlichen Rolle her steht ihnen das nicht zu, was sie in der neuen Rolle übernehmen. Zu sagen: „Ziehe dich jetzt an.“ „Wasche dich.“ „Geh aufs Klo.“ Geschichten können hier aushelfen. Sie können anleiten. Nicht der Erzählende nimmt die Rolle des Vaters oder der Mutter ein. Sondern die Geschichte erklärt, wie man etwas tut. Der Zuhörer kann sich mit dem Protagonisten in der Geschichte identifizieren. In meinem Buch „Frau Lehmann und der Schneemann“ finden Sie auch viele Geschichten. Es geht darin um das Thema Weihnachten und Winter. Sie finden auch Geschichten, die Anleitungen für diese Jahreszeit geben. Denn eine Kurzgeschichte für Demenzkranke…
#13: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke… gibt Tipps
Bei meinen Geschichten befinden sich fast immer immer praktische Tipps. Tipps, die demjenigen helfen, der vorliest. Die Tipps sind so einfach, dass sie nicht erschlagen (keine Rat-schläge). Sie sollen Ideen liefern, die man sofort umsetzen kann. Und die zur Geschichte passen. Hier drei Tipps aus meinem Buch „Frau Lehmann und der Schneemann“:
- Bringen Sie Krippenfiguren mit. Stecken Sie diese in einen Stoffbeutel. Lassen Sie Ihr Gegenüber daran fühlen.
- Setzen Sie hier Musik ein und bewegen sich im Takt. Schon haben Sie einen kleinen Sitztanz.
- Bringen Sie Bilder von verschiedenen Tieren mit.
Diese Tipps passen jeweils zur konkreten Geschichte. In anderen Tipps geht es auch um den konkreten Umgang mit Menschen mit Demenz (Demenz Bücher) . Sie fragen sich, warum Kurzgeschichten bei Alzheimer & Co überhaupt funktionieren? Hier ein paar Antworten.
III. WIESO EINE KURZGESCHICHTE FÜR DEMENZKRANKE FUNKTIONIERT
#14: Sie spricht Gefühle an
Der Hund aus der Kindheit. Wie er genau aussah, lässt sich nicht mehr herausfinden. Merkmale wie Gewicht, Größe oder Lebensalter können nicht mehr abgefragt werden. Aber die Gefühle, die der Vierbeiner hinterließ, sind noch da. Das Glücksgefühl, nachdem man sich bei schlechtem Wetter gemeinsam zum Spaziergang aufrafft. Die Freude, wenn man zuhause von Bello begrüßt wird. Das herzliche Lachen, wenn Strolchi einem wieder einmal überlistet – und die Wurst vom Tisch klaut. Den Hund von damals gibts nicht mehr. Die Gefühle sind noch da. Eine gute Geschichte spricht Gefühle an, wie zum Beispiel Validation nach Naomi Feil betont.
#15: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke… schaut aufs Wesentliche
Viele Personen? Eine komplizierte Handlung? Um die Ecke denken? Passt nicht zu einer Kurzgeschichte für Demenzkranke. Hier ist weniger mehr. Geschichten, die speziell für die Zielgruppe geschrieben wurden, sollten einfach sein. Sie enthalten ein Erlebnis. Das nicht zu kompliziert erzählt wird. Und keine verwirrenden Handlungsstränge enthält. Auch der Humor sollte schlicht sein. Was will ich damit sagen?
#16: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke … verwendet den richtigen Humor
Einfache Lautmalereien, Reime, fröhliche Redensarten. Darüber können Menschen mit Demenz schmunzeln. Eine gelungene Kurzgeschichte für Demenzkranke spielt mit einfachem Humor. Ohne Ironie, Sarkasmus oder Zynismus. Der Humor bleibt einfach, freundlich und wertschätzend. Meine 6-Jährige Tochter hat mir einen Witz erzählt. Als Grundschüler haben wir uns damals schon genau diesen Witz erzählt. Und geliebt. Kindlich schlicht. Das kommt auch bei Menschen mit Demenz gut an. Es würde sie überfordern, wenn sie zu sehr um die Ecke denken müssen. Eine Demenz-Kurzgeschichte hat ihre Zielgruppe im Blick. Super auch, wenn sie mehrere Sinne anspricht:
#17: Sehen, hören, riechen, schmecken – und fühlen
Eine Geschichte aktiviert die Sinne. Genauso, wie wenn man das Erzählte selbst erlebt hätte. Jemand hört zum Beispiel, wie die Sprungbewegung einer Person beschrieben wird. Dann sendet der Motorkortex die gleichen Signale ins Gehirn, wie wenn man selbst gerade springen würde. Geschichten kommen darüber hinaus noch besser an, wenn man beim Erzählen mehrere Sinne bewusst anspricht. Also nicht nur lesen und hören. Sondern zum Beispiel:
- Bringen Sie bei einer Geschichte, bei der es um ein Schaf geht, ein Fell zum fühlen mit.
- Geht es in der Geschichte um ein gekochtes Ei, bieten Sie ein Ei zum Essen an.
- Treffen Sie sich draußen zum Vorlesen – und riechen den Geruch der Straße, wenn es um Motorroller, Lastwagen oder Autos geht.
Nutzen Sie mehrere Spuren auf der Autobahn ins Gehirn. Suchen Sie noch eine Idee, um das Gehirn anzuregen? Lesen Sie weiter:
#18: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke … mit Rätseln kombinieren
Erzählen und Vorlesen lässt sich immer gut mit kleinen Denkaufgaben verbinden.
- Wie heißt der Hund von Frau Parusselli schon wieder?
- Wieviel Geld hat er nochmal dabei?
- Kennen Sie noch andere Hunderassen?
Wichtig ist, hierbei keine Lehrer-Schüler-Situation entstehen zu lassen. „Wie heißt das? Ach, Sie wissen es nicht?“ Und dann peinliche Stille. Nein, so nicht. Besser: Frage stellen. Kurz warten. Und bevor es peinlich wird, den Anfang der Lösung vor sagen oder Tipps gegen: „Der Name des Hundes fängt mit … an. Er reimt sich auf … Er heißt … .“ Oder einfach selbst die Lösung nennen – und dann geht die Geschichte weiter.
#19: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke… bringt in Bewegung
Es macht Spaß, Bewegungsübungen in eine Geschichte einzubauen. Strecken Sie gemeinsam die Arme nach oben, wenn Oma Hilde in der Geschichte Wäsche aufhängt. Das ist gut für die Gesundheit. Und eine Geschichte ist eine schöne Auflockerung. Für den Zuhörer. Aber auch für den, der vorliest. Bewegung beugt Lungenentzündung, Rheuma und Arthrose vor. Fast von selbst kommt man in Bewegung, wenn man Musik hört.
#20: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke… kann auch mal musikalisch sein
Musik dringt tiefer in den Menschen ein, als gesprochene Worte. Zum Beispiel, weil sie mit dem Rhythmus nicht nur den Hörsinn anspricht. Sondern auch den Tastsinn. Außerdem weckt Musik Gefühle. In mancher Kurzgeschichte für Demenzkranke kommen Schlager oder Volkslieder vor. Aber vielleicht hat Ihr Gegenüber ja auch einen ganz anderen Geschmack. Ein Lied, das mein Gegenüber kennt und zur Geschichte passt weckt die Aufmerksamkeit und schöne Gefühle. In meinem Buch „Frau Lehmann und der Schneemann“ finden Sie darum nicht nur irgend welche Geschichten. Manchmal drehen sich diese auch um Weihnachts- oder Winterlieder.
#21: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke… versöhnt mit der eigenen Biographie
Demenz schränkt ein. Dinge sind passiert. Und lassen sich nicht mehr ändern. Eine Kurzgeschichte ist keine Moralpredigt. Sie sagt nicht: „Tue dies und lass jenes.“ Themen wie Schuld, Vergebung und Neuanfang sind gute Themen für eine Geschichte. Denn die Geschichte zeigt auf, wie die Handelnden das Problem lösen. Und laden dazu ein, dies auch zu tun. Zumindest auf Gefühlsebene. Geschichten lösen auch mehrere zwischenmenschliche Knoten:
IV. ZWISCHENMENSCHLICHES
#22: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke sagt: Du bist mir wichtig
Die richtige Geschichte heraus suchen. Für eine angenehme Umgebung sorgen. Und dann noch vorlesen. Das braucht Zeit, Liebe und Aufmerksamkeit. Worauf will ich hinaus? Wer dem anderen etwas erzählt, sagt damit: „Du bist mir wichtig. Ich bin gern mit dir zusammen.“ Das gilt auch bei Menschen mit Demenz. Erzählen zeigt Wertschätzung, innere Nähe und Vertrauen. Das ist weit mehr als nur die Weitergabe einer Information. Auch so manche Situation kann durch eine Kurzgeschichte für Demenzkranke verändert werden.
#23: Kurzgeschichte für Demenzkranke – Gamechanger zwischen zwei Buchdeckeln
„Die Schwester vom ambulanten Pflegedienst hat mir meine Kette geklaut.“ „Mir tut der Bauch weh.“ „Ich will nach hause.“ Solche Sätze fallen bei Menschen mit Demenz. Manchmal ist es gut, diese Aussagen nicht zu beschwichtigen. Und auch nicht zu verstärken. Sondern etwas anderes zu machen. Was? Zum Beispiel eine Geschichte vorlesen. Diese kann neue Gedanken auf den Tisch bringen. Oder die vorhandenen Gefühle auffangen. Geschichten können Gamechanger sein. Also einen Wechsel ins Spiel bringen. Will heißen: Das Spiel schien verloren. Weit im Rückstand. Geschichte eingewechselt. Dann doch noch gewonnen.
#24: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke… regt an zum Erzählen
Lassen Sie eine Geschichte zum Gespräch werden. Stellen Sie Fragen. Legen Sie Pausen ein. Lassen Sie ergänzen. Das regt zum Reden an. Und wer Worte hört, wird angeregt, selbst Worte von sich zu geben. Vorlesen regt dazu an, mitzureden. Und selber die Stimme einzusetzen. Eine gute Story ist aber nicht nur gut für die Stimme. Sondern auch für die Stimmung.
#25: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke… kann für positive Stimmung sorgen
Es tut einfach gut, anregenden Geschichten zuzuhören. Dies liegt auch an den Hormonen, die dabei ausgeschüttet werden können: Cortisol macht aufmerksam. Anregend und motivierend wirkt Dopamin. Oxytocin macht empathischer, lässt uns verbunden fühlen und weckt Vertrauen. Kreativität, Entspannung und Fokus schafft Endorphin. Die Sonnen-Bilder zu diesem Beitrag hat meine 6-Jährige Tochter gemalt. Manchmal lese ich ihr eine Gute-Nacht-Geschichte vor. Sie schläft dabei zuverlässig auf meiner Brust ein. Das tut uns beiden gut. Auch da sind Hormone im Spiel, die gut tun.
#26: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke… sie ist so individuell wie die Menschen
Jeder Mensch ist anders. Und jedem Menschen tun andere Geschichten gut. In der Beschäftigung für demenzkranke Männer werde ich ganz andere Geschichten wählen als bei Frauen. Suchen Sie Geschichten, die Ihr Gegenüber ansprechen. Das kann aber auch mal ganz anders sein, als es mir klassische Rollenbilder vorgeben. Vielleicht spricht den harten Mann eine Geschichte von einem Kätzchen an. Und die zierliche Dame freut sich über eine Baustellengeschichte.
#27: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke… macht Kino im Kopf
Wer auf die Mattscheibe schaut, hat das Gefühl bei einer Handlung dabei zu sein. Oder bei einer Diskussion. Oder bei einer Dokumentation. Aber oft rauschen die Bilder an einem vorbei. Lesen und Vorlesen funktioniert anders. Bilder sind beim Vorlesen und Zuhören nicht vorgegeben. In jedem Menschen entstehen andere Bilder. Die Phantasie wird angeregt. Vielleicht durch die Demenz verändert, erschwert – manchmal nicht mehr möglich. Natürlich kann auch ich in keinen Menschen hinein blicken. Aber neulich habe ich es bei Frau Fischer erlebt: Sie hörte aufmerksam zu. Und beschrieb mir danach die Wärmflasche, die in der Geschichte vorkam. Die Geschichte finden Sie übrigens in meinem Buch „Frau Lehmann und der Schneemann“.
V. UND DIE GESCHICHTE BRINGT NOCH VIEL MEHR
#28: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke … verschönert die Jahreszeiten
Menschen mit Demenz leben oft in der Vergangenheit. Es kann für sie eine Hilfe sein, wenn man sie nicht ins Jetzt zurückzerrt. Aber mit Hilfe von Geschichten die Möglichkeit anbietet, die aktuelle Jahreszeit zu erleben. So können Sie bewusst Frühling, Sommer, Herbst und Winter genießen.
#29: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke… bleibt im Kopf
Geschichten kann man sich gut merken. Der, der sie Menschen mit Demenz vorliest, wird sie immer wieder verwenden können. Weil sie im Kopf bleiben. Und auch für den Zuhörer mit Demenz besteht die Chance, dass sie hängen bleibt. Denn: Ein Kind fängt früh an zu erzählen und Geschichten zu verstehen. Daten, Fakten und Zahlen kann es erst später einordnen. Während einer Demenz gehen die zuletzt erworbenen Fähigkeiten in der Regel später verloren. Das, was man in frühen Jahren gelernt hat, bleibt noch länger. Daher geht der Umgang mit Daten, Zahlen und Fakten früher verloren. Mit Geschichten kann man auch während einer Demenz noch lange etwas anfangen.
#30: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke … erhält den Wortschatz
Kinder lernen beim Vorlesen dazu: Neue Wörter, Reime und Wortspiele. Während einer Demenz wird es – häufig in umgekehrter Reihenfolge – weniger. Der Wortschatz wurde beim Kind immer umfangreicher. Jetzt geht er langsam verloren. Geschichten stellen Worte zur Verfügung. Mein Gegenüber hört die Worte. Vielleicht bringt er sich sogar selbst mit eigenen Worten ein. Es ist ein bisschen wie beim Sport: Wenn ich einen Muskel trainiere, bleibt er länger erhalten. Übrigens, unter #8 habe ich drei alte Begriffe erwähnt. Hier die versprochene Erklärung:
- Henkelmann: Ein Behälter aus Blech oder Metall. Arbeiter haben damit ihr Essen von zuhause mitgenommen. Am Henkel konnten Grubenarbeiter es an einem Seil leicht hoch oder herunter ziehen. Und man konnte darin das Essen von zuhause wieder aufwärmen, ohne es umfüllen zu müssen. Andere Begriffe dafür sind: Döppen, Düppe, Kimmel, Knibbel oder Mitchen.
- Liebestöter: Lange Unterbekleidung, die kompliziert zum An- und Ausziehen ist. Wie zum Beispiel lange Unterhosen.
- Lümmel: Ein frecher Junge. Andere Wörter: Bengel, Lausbube, Spitzbube.
#31: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke … erhöht die Konzentration
Geschichten sprechen verschiedene Hirnareale an. Sie bringen Menschen dazu, sich für längere Zeit zu konzentrieren und auf eine Tätigkeit zu fokussieren. Und somit kurbeln Geschichten die Gehirnleistung an. Das Gehirn bringe ich vielleicht zum Rattern, wenn ich die Geschichte an die Person anpasse:
#32: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke … kann angepasst werden
Ein Bild, ein Handschmeichler, eine Schachtel Pralinen. Alles schöne Geschenke. Aber man muss sie so nehmen, wie sie sind. Fehlt auf dem Bild der Onkel Karl, kann ich ihn nicht dazu malen. Und ist der Handschmeichler ein Fisch, kann ich nicht einen Engel draus machen. Fehlt in der Pralinenschachtel Nuss-Nougat, kann das niemand dazu zaubern. Bei Geschichten geht das aber. Ich kann sie an die Biographie meines Gegenübers anpassen. An seine Wünsche und Vorlieben. Da kann ein Hund auch mal zu einer Katze werden. Herr Schulze wird zu Herrn Hinkelmann. Und der Wald wird zum Meer. Alles machbar, wenn es meinen Zuhörer glücklich macht. Und dann erreichen Sie hoffentlich das große Ziel:
#33: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke … kann Omas Augen zum Leuchten bringen
Menschen mit Demenz reagieren anders als Menschen ohne Demenz. Oft genau umgekehrt als sich Dinge bei Kindern entwickelt haben. Ein kleines Kind
- lächelt zuerst, bevor es lacht.
- gibt erst Laute von sich, später Worte.
- benutzt erst einzelne Worte, dann werden die Sätze länger.
Ich freue mich beim dementen Zuhörer manchmal schon, wenn er die Augen öffnet. Und manchmal leuchten Omas Augen sogar (Demenz Bücher). Oben habe ich geschrieben: Eine Kurzgeschichte für Demenzkranke kann so manche Tablette ersparen. Hier zähle ich nochmal einige Bereiche auf, in denen eine Verbesserung möglich ist:
- weniger Unruhe,
- besserer Schlaf,
- weniger Schmerzen,
- weniger Langeweile,
- bessere Stimmung,
- bessere Hirnleistung.
8-ung!
Ich habe hier Dinge gesagt wie:
- Geschichten kann man sich gut merken.
- Geschichten sprechen verschiedene Areale im Gehirn an.
- Geschichten bewirken, dass positive Hormone ausgeschüttet werden.
Das stimmt alles. Aber: Natürlich gibt es auch Gründe, die hindern:
- Wenn der Zuhörer einen schlechten Tag hat.
- Wenn die Demenz es an diesem Tag (oder überhaupt nicht mehr) möglich macht.
- Wenn der Vorleser nicht auf seinen Zuhörer konzentriert ist.
Kann alles vorkommen. Heißt aber nicht, dass es niemals funktioniert.
Ich wollte in diesem Artikel nicht bei jedem Punkt Dinge aufzeigen, warum es nicht funktionieren könnte. Sondern zunächst mal davon ausgehen, dass es funktioniert. Denn es funktioniert oft! Öfter als man denkt.
Ob man eine Demenz als normalen Teil des Alterns betrachtet ist übrigens von Land zu Land verschieden. Denken Sie nicht: Das wird eh nichts mehr. Sondern: Ich glaube, dass das heute klappt.
Bringen Sie Omas Augen zum Leuchen.
Ihr Uli Zeller