Von Tag zu Tag entspannter, einfühlsamer und verständnisvoller. Mit Validation nach Naomi Feil.
Damit Sie im Umgang mit Menschen mit Demenz die Nerven bewahren können.
Und Ihr Gegenüber sich ernstgenommen fühlt.
Mit 1 Frage pro Tag.
1 Monat lang.
Glauben Sie mir nicht, dass das möglich ist?
Dann:
Kommen Sie mit mir auf die Reise. Sie werden staunen, wie gut es klappt.
Validation nach Naomi Feil: Das erwartet Sie in diesem Artikel
Ich gebe Ihnen jetzt mein persönliches Extrakt weiter. Sie können jede der 31 Fragen einzeln herausgreifen. Validation nach Naomi Feil – heruntergebrochen auf konkrete Fragen. Diese haben sich für mich aus Büchern, Vorträgen und Seminaren von und über Validation nach Naomi Feil ergeben. Wie gesagt: Naomi Feil hat diese Fragen so nicht formuliert. Es ist mein persönlicher Zugang zu ihrem Ansatz der Validation.
Wichtig: Ich empfehle, immer nur eine Frage herauszugreifen und damit einen Tag zu durchleben. Zu viele Dinge, die man auf einmal umsetzen will, können schnell überfordern. Denn wer viele Hasen jagen will, erwischt am Schluss keinen. Schauen Sie daher lieber öfter in diesen Artikel rein und nehmen nur einen Aspekt raus. Darum sind es 31 Fragen. Sie reichen einen Monat lang.
An einigen Stellen in diesem Artikel habe ich auch „Theorie-Schnipsel“ in Form kleiner Arbeitsblätter eingebaut. Falls Sie mehr wissen wollen…
Inhalt dieses Artikels:
Was ist Validation?
Validation bedeutet übersetzt die Welt des dementen Gegenübers „für gültig erklären“. Die Gerontologin Naomi Feil hat diesen Ansatz entwickelt. Validation will einereits dem altersverwirrten Menschen mehr Lebensqualität schenken. Andererseits soll dieser Ansatz auch denen Sicherheit geben, die die Senioren betreuen. Wissen Sie, mit welchem anderen Ansatz Naomi Feil zunächst betagte Menschen in ihrem verwirrten Zustand abholen wollte?
Bleiben Sie dran.
Sie erfahren es weiter unten.
Fangen wir jetzt aber mit einem Beispiel an…
Frau Krämer huschte über den Gang.
Hin und her.
Rastlos.
Sie wirkte dabei angespannt.
Ihre Tochter Gabi wusste nicht, was sie dann machen soll.
Doch jetzt hat sie etwas probiert.
Sie nähert sich ihr.
Von vorne.
Dann stellt sie sich an die Seite von Frau Krämer.
Sie geht neben ihr her.
Macht ihre Bewegungen nach.
Mit der Zeit wirkt Frau Krämer ausgeglichen.
Sie atmet tief ein und aus.
Validation nach Naomi Feil.
Ein Ansatz, der wirklich helfen kann.
Die eben beschriebene Anregung finden Sie hier.
Gleich in Frage #1.
Validation nach Naomi Feil nennt das „spiegeln“.
All diese Fragen begleiten mich immer wieder in der Praxis. Kommen Sie mit mir auf diese Reise. Greifen Sie eine Frage heraus – und fangen damit an.
Und wenn Sie alle Fragen geschafft haben?
Sie bekommen von mir dafür weder Zertifikat, Titel noch Blumentopf.
Aber Sicherheit im Umgang mit Demenz.
Erfolgserlebnisse.
Und Verständnis.
Denn schon wenn eine Sache besser klappt, hat es sich gelohnt, dass Sie diesen Text gelesen haben.
Frage #1: Kann ich ein Spiegel sein?
Oma streicht über den Tisch, zieht an ihrem Finger oder rauft sich die Haare.
Kann ich ihr dies spiegeln?
Also:
Das gleiche tun.
Beispiele:
– über den Tisch streichen,
– an meinem Finger ziehen
– oder die Haare raufen.
Versuchen Sie es mal.
Und zwar so , dass sich der andere darin wiederfindet – und sich nicht nachgemacht oder veräppelt vorkommt.
Wollen Sie es mal versuchen?
Frage #2: Hab ich den Feuerlöscher ausgeschaltet?
Herr Maier schreit.
Frau Wonnebacher schlägt um sich.
Frau Schneider kullert eine Träne über die Wange.
Wie reagiere ich?
Validation nach Naomi Feil empfiehlt:
Unterstützen Sie den sehr alten, desorientierten Menschen.
Wie?
Er soll seinen Gefühlen freien Lauf lassen können.
Es gibt da so einen Reflex bei mir:
Beruhigen, beschwichtigen, die Wogen glätten.
„Alles nicht so schlimm.“
Aber:
Ich muss die Situation gar nicht klein reden.
Besser:
In brenzligen Situationen zwar Druck raus nehmen.
Niemand soll sich oder den anderen verletzen.
Aber:
Ich greife nicht zum Feuerlöscher und ersticke alle Gefühle.
Den Gefühle-Löscher packe ich erstmal weg.
Meine Aufgabe für diesen Tag:
Zorn. Wut Trauer.
Nicht löschen.
Nur das Feuer begrenzen.
Frage #3: Wo will er denn hin?
Oma läuft weg. Wo will sie denn hin?
Eine Aussage der Validation nach Naomi Feil:
Der alte Mensch will seine Ziele erreichen.
Da ist also der alte, verwirrte Menschen.
Er trifft auf andere Menschen.
Es kommt zu einem Konflikt.
Denn:
Beide Seiten haben ihre Abläufe, Werte und Ziele.
Ich frage mich also an diesem Tag:
Wo will der alte Mensch hin?
Will er woanders als ich?
Lasse ich es zu?
Frage #4: Kann ich mit Fragen ankurbeln?
Herr Schröder redet mit mir.
Doch seine Antworten passen nicht so richtig zu meinen Fragen.
Die erste Phase heißt in der Validation nach Naomi Feil „Mangelhafte Orientierung“.
Mit Sprache kann ich da noch viel erreichen.
Ich kann mein Gegenüber mit Worten abholen.
Fragen stellen.
Mich erkundigen:
„War es immer so?“
Oder:
„Was wäre das Gegenteil davon?“
Ich kann umformulieren.
Nachfragen, was gesagt wurde.
Heute kurble ich mit Fragen das Gespräch an.
Auch wenn die Antwort mal nicht zur Frage passt.
Frage #5: Gibt es einen Grund?
Eine alte Dame legt sich ins falsche Bett.
Validation nach Naomi Feil will die Ursachen verstehen:
Warum verhält sich jemand so?
Was könnte der Grund sein?
Vielleicht will sie sich ins Bett zu ihrer Mutter kuscheln.
Wie ein kleines Kind.
Ich kann also über sie sagen:
Sie ist halt alt.
Verwirrt.
Dement.
Oder – besser.
Mich heute fragen:
Was könnte die Ursache für ein bestimmtes Verhalten sein?
Frage #6: Aus die Maus – oder nicht?
„Omilein.“
„Mein Schätzchen“.
„Wie bist du goldig“.
So werden altersverwirrte Senioren manchmal angesprochen.
Es zeugt nicht von Respekt.
Rutschen mir solche Verniedlichungsformen heraus?
Ist das angemessen?
Würde ich so auch mit einem Menschen sprechen, den ich bewundere?
Etwa mit dem Pastor meiner Kirchengemeinde.
Mit dem Bürgermeister.
Oder einem großen Vorbild?
Den gleichen Respekt haben Menschen mit Demenz verdient.
Wie spreche ich mein Gegenüber an?
Heute will ich besonders darauf achten.
Frage #7: Befinde ich mich auf Augenhöhe?
Frau Stein sitzt im Rollstuhl.
Tochter Angelika blickt auf sie herab.
Sohn Stefan geht in die Hocke.
Quizfrage:
Wem wird sie mehr Aufmerksamkeit schenken können?
Genau – dem Sohn auf Augenhöhe.
Jemand spricht von oben herab auf Sie herunter.
Kennen Sie das?
Wie fühlt sich das an?
Vermutlich eher unangenehm.
Eine gute Frage, die ich mir an diesem Tag stellen kann:
Spreche ich mit meinem Gegenüber auf Augenhöhe?
Dazu kann ich mich auf einen freien Stuhl bei der Person setzen.
Oder das Bett auf meine Höhe stellen.
Frage #8: Kann ich die Bombe entschärfen?
Nachts um drei Uhr will sie aufstehen und kochen.
Sie erwartet ihren Mann und ihre Kinder.
Unbearbeitetes liegt wie eine Bombe unter dem Tisch.
Und plötzlich kann sie explodieren.
Beschwichtige und diskutiere ich, sorge ich für zusätzlich Sprengstoff.
Entspannen kann ich dagegen so:
– Ich nehme ihre Sorge wahr: „Du willst dich um deine Familie kümmern. Das ist schön.“
– Ich spreche mit ihr über das Thema Essen: „Was essen alle am liebsten?“
– Vielleicht hat sie auch selbst Hunger: „Hast du Hunger? Magst du eine Scheibe Brot?“
Heute will ich abholen, wahrnehmen ernst nehmen.
Kann ich damit eine Bombe entschärfen?
Und dabei das Thema des Gegenübers ernst nehmen?
Frage #9: Kann ich zwischen den Zeiten balancieren?
Ein Seil hängt über der Schlucht.
Der Seiltänzer balanciert darüber.
So schweben Menschen mit Demenz oft zwischen verschiedenen Zeiten.
Die alte Dame, die in den Spiegel schaut, sagt:
„Hallo Mama.“
Und sie weiß doch zugleich:
„Meine Mutter ist schon längst tot.“
Jetzt hier – nachher da.
Aber:
Beide Seiten sind in der Wahrnehmung meines Gegenübers echt.
Kann ich das heute aushalten?
Dass es wischen den Zeiten mehrere Realitäten gibt?
Frage 10: Was sind die Bedürfnisse?
„Ich will nach hause“, sagt Frau Weber.
Die Tochter sagt: „Aber du bist doch zuhause.“
Stimmt.
Aber die eigentliche Frage ist:
Was ist die Sehnsucht von Frau Weber?
Vermisst sie ihre Ruhe?
Ihren verstorbenen Ehepartner?
Oder die routinierten Abläufe, die ihr abhanden gekommen sind?
Validation nach Naomi Feil versucht:
– Menschen zu akzeptieren – so, wie sie sind.
– Ohne sie verändern zu wollen
– Und die Sehnsucht dahinter zu erfüllen.
Frage #11: Spreche ich die Sinne an?
Über welchen Kanal nehmen Sie die Welt am liebsten wahr?
Fühlen? Riechen? Schmecken? Sehen? Hören?
Vergessen Sie alles um sich, wenn Sie
- das weiche Fell Ihres Hundes fühlen?
- den Duft des Waldes riechen?
- Ihr Lieblings-Essen genießen?
- einen Sonnenaufgang sehen?
- ein Konzert hören?
Auch Menschen mit Demenz haben einen bevorzugten Sinn.
Glauben Sie nicht?
Achten Sie heute mal drauf.
Und wenn Sie einen Sinn entdeckt haben, versuchen Sie das in Ihre Sprache einzubauen.
Beispiele:
– 1. Fühlen: Die Sonne brennt auf der Haut, ganz schön warm.
– 2. Riechen: Es juckt in meiner Nase. Es riecht nach Pilzen.
– 3. Schmecken: Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Oh, lecker.
– 4. Sehen: Da leuchten seine Augen. Er strahlt, wenn er sie sieht.
– 5. Hören: Das hört sich gut an. Das klingt wie Musik in meinen Ohren.
Frage #12: Worte oder Berührung?
Meine Tages-Frage:
Reden oder berühren?
Was ist bei meinem Gegenüber wichtiger?
Im Laufe einer Demenz wird Sprache unwichtiger.
Dafür gewinnt Berührung an Bedeutung.
Kann ich mit Sprache, Geschichten und Wortspielen punkten?
Oder ihn eher mit einer Berührung an der Schulter und Blickkontakt abholen?
Wie viele Worte und wie viel Berührung ist gut?
Frage #13: Sind diese Schuhe zu eng?
Naomi Feils viel zitierter Tipp:
Gehen Sie in den Schuhen des anderen.
Will heißen:
Ich soll die Gefühle meines Gegenübers anerkennen.
Trotz Demenz sind die Gefühle wahr.
Sage ich, sie sind unwahr?
Das verunsichert den anderen.
Es tut weh.
Wie wenn ich jemandem zu enge Schuhe verpasse.
Also:
Gelingt es mir an diesem Tag, Gefühle als wahr anzuerkennen?
Wie oft kann ich zu bequemen Schritten helfen?
Frage #14: Kann ich eine Eintrittskarte fürs eigene Leben spendieren?
Herr Ulrich kommt mir entgegen:
„Gehen Sie mal zur Seite.
Ich muss zur Arbeit.“
Er hat wohl vergessen, dass er seit drei Jahrzehnten im Ruhestand ist.
Auch an dieser Stelle gilt:
– Nichts abstreiten.
– Seine Lebenswelt als gültig stehen lassen.
– Die Gefühle anerkennen.
Herr Ulrich ist im Moment gestresst.
Ich will an diesem Tag herausfinden:
In welcher Lebenswelt befindet sich mein Gegenüber?
Vielleicht muss ich noch herausfinden, wo er gearbeitet hat – und welche Gefühle er damit verbindet.
Frage #15: Liegt Musik in der Luft?
Lieder singen, Musik hören, im Takt schunkeln – all das kann Gefühle wecken.
Musik und Validation gehören zusammen.
Ziel der Validation nach Naomi Feil ist das, was Musik tut:
Gefühle sollen ausgedrückt werden.
Musik kann eigentlich in allen Stadien der Demenz hilfreich sein.
Am Anfang einer Erkrankung mag der Text noch wichtiger sein.
Später die Melodie, die Bewegungen und die Gefühle.
Wo kann ich an diesem Tag Musik einsetzen?
Beispiele: Tanzen, singen, vorsingen, schunkeln…
Kann Musik helfen, Gefühle auszudrücken?
Frage #16: Bin ich ehrlich?
Frau Winter sucht ihren Ehemann:
„Wo ist denn Fritz?“
Fritz lebt aber nicht mehr.
Nicht hilfreich ist es, hier zu sagen:
„Er ist nur in der Werkstatt und repariert das Fahrrad. Er kommt dann wieder.“ Und dann darauf zu hoffen, dass Frau Winter ihre Frage vergisst.
Denn Menschen mit Demenz merken auf einer tieferen Ebene:
„Achtung.
Ich werde gerade angelogen.
Dieser Person vertraue ich lieber nicht mehr.“
Besser wäre zu fragen:
„Was habt ihr denn gerne zusammen gemacht?“
Oder: „Was fehlt dir denn an Fritz?“
Und dann auf dieses Bedürfnis einzugehen.
Frage #17: Kann ich einen Knoten lösen?
Validation nach Naomi Feils geht davon aus:
Verwirrte hochaltrige Menschen lösen oft ungelöste Konflikte.
Sie reisen dazu in die Vergangenheit.
Kann ich heute jemandem helfen, seinen Knoten schon jetzt zu beheben?
Vielleicht ein junger Mensch, der gar nicht dement ist.
Oder kann ich einen Knoten im eigenen Leben lösen?
Vielleicht ist das eine gute Vorbeugung gegen Verwirrung im Alter.
Frage #18: Sehe ich den Menschen vor mir als Ergebnis seines Lebens?
Frau Kleiner sammelt Taschentücher.
Im Ärmel.
In der Jackentasche.
In der Handtasche.
Ein skurriler Tick?
Naomi Feil entfaltet verschiedene Lebensphasen, die ein Mensch durchläuft:
Nach Erikson gibt es verschiedene Stadien:
– Säuglingsalter.
– Frühkindliches Alter.
– Spielalter.
– Schulalter.
– Jugendalter
– …
Während dieser Phasen kommt es zu Krisen und Lebensaufgaben:
– Hoffnung.
– Wille.
– Ziel.
– Kompetenz.
– Treue
-…
Im Alter führt es zu verschiedenen Verhaltensweisen.
Je nachdem ob oder wie jemand seine Krisen durchlebt und seine Aufgaben bewältigt hat.
Vielleicht lebt mein Gegenüber ja gar nicht so sehr im Jetzt.
Kann ich sein Verhalten als Ergebnis eines langen Lebens sehen?
Wofür könnte das Sammeln von Taschentüchern stehen?
Frage #19: Darf mein Gegenüber kindlich sein?
Opa bohrt neuerdings in der Nase.
Igitt.
Ist das wirklich sooo schlimm?
Worte gehen verloren.
Bewegungen werden stärker.
Lippen und Zunge experimentieren.
Sie formen Laute.
Und neue Wortkombinationen.
Daumenlutschen?
Nasenbohren?
Experimente mit Essen?
Für mich vielleicht eklig.
Aber:
Es kann Sicherheit und Genuss bedeuten.
Schon als Kind haben Bewegungen und Experimentieren Sicherheit gegeben.
Ist es für mich in Ordnung, wenn mein Gegenüber kindlich ist?
Befremdet es mich?
Muss ich dazu vielleicht eine neue – entspannte – Einstellung entwickeln?
Frage #20: Stelle ich die richtigen Fragen?
„Warum hast du eigentlich nur eine Socke angezogen?“, fragt eine Angehörige.
Eine anspruchsvolle Frage.
Fragen, die eine logische Erklärung verlangen, will ich vermeiden.
Sie überfordern.
Schlecht ist: „Warum seid ihr hierher gezogen?“
Besser sind Fragen, die mit Fragewörtern beginnen:
– „Wer…?“
– „Was…?“
– „Wo…?“
– „Wie…?“
– „Wann…?“
Also besser fragen: „Wann seid ihr hierher gezogen?“
Fragen nach einem fixen Datum können oft besser beantwortet werden.
Ist das Umzugsdatum nicht mehr bekannt:
Auf das Geburts- oder Hochzeitsjahr kann oft noch lange zurückgegriffen werden.
Frage #21: Bin ich ein Goldgräber?
Sehe ich vor mir eine schrullige Oma?
Einen alten Menschen, für den ich halt verpflichtet bin.
Aber letztlich doch irgendwie gleichgültig bleibe?
Naomi Feil rät, sich für die Probleme seines Gegenübers zu interessieren. Interesse bedeutet:
– am Leben des anderen teilzunehmen,
– ihn wichtig zu nehmen,
– neugierig und voller Entdeckerfreude zu sein.
Heute frage ich mich:
Suche ich mit meinem Gegenüber nach dem Gold in seinem Leben?
50 Anregungen finden Sie hier: Beschäftigung für demenzkranke Männer.
Frage #22: Was ist die Wahrheit jenseits der Fakten?
Unterm Weihnachtsbaum liegen einige Deko-Geschenkpakete.
Frau Thomas greift nach einem.
„Das ist für mich“, freut sie sich.
Sie zieht an der Schleife.
Und sagt: „Wie schön. Ein Geschenk.“
Wenn ich ihr die Situation erklären will, sagt sie:
„Nein, das ist mein Geschenk.“
Hier brauche ich nicht über die Fakten zu diskutieren.
Besser ist zu fragen: Was ist das Bedürfnis dahinter?
Vielleicht:
Merken, dass ich jemandem wichtig bin?
Versuchen könnte ich:
– Gemeinsam die Blumen gießen.
– Ein Lied singen.
– Eine Geschichte vorlesen
Frage #23: Wem vertraust du?
Glaubt mein Gegenüber an Gott?
Worauf setzt er seine Hoffnung?
Kann ich ihn mit Bildern und Inhalten seiner Spiritualität abholen?
Ich könnte ein Kreuz auf den Tisch legen, ihn daran fühlen lassen.
Oder ihm ein Gebet vorsprechen.
Oder mit ihm zusammen ein Lied aus dem Kirchengesangsbuch singen.
An dieser Stelle kann ich mich auch einmal fragen:
Wem vertraust du?
Frage #24: Hirngespinste oder innere Sinne?
Eine alte Dame berichtet, dass sie die Stimme ihres Ehemannes hört.
Ein Hirngespinst?
Validation nach Naomi Feil sagt:
Im Alter verwirrte Menschen benutzen ihre inneren Sinne.
Sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen bringen weniger Eindrücke.
Tue ich ihr Erleben als Hirngespinst ab?
Oder kann ich akzeptieren, dass nun die inneren Sinne stimuliert werden?
Frage #25: Muss ich raus aus meinem Trott?
„Frau Maier. Heute ist Montag. Es ist Sommer. Sie sind im Pflegeheim.“
Das war ein Ansatz zum Umgang mit Demenz im letzten Jahrhundert:
Realitätsorientierungstraining (ROT).
Aber:
Oft scheiterte das.
Frau Maier wurde traurig.
Oder noch verwirrter.
Denn sie hatte das Gefühl: Es ist Freitag. Es ist Winter. Und ich bin zuhause.“
Eine US-Amerikanerin brach aus den gewohnten Bahnen aus.
Begründete einen neuen Ansatz.
Validation nach Naomi Feil.
Heute frage ich mich:
Merke ich, wenn ich mit meinen Denkvoraussetzungen bei Menschen mit Demenz nicht mehr weiterkomme?
Denke und handle ich so, wie ich es immer gemacht habe?
Oder habe ich den Mut, Neues zu wagen?
Frage #26: Kann ich bei Anschuldigungen tiefer blicken?
„Sie haben mir meine Unterhosen geklaut.“
„Der Koch hat mein Essen vergiftet.“
„Meine Frau geht fremd.“
Wie gehe ich mit solchen Anschuldigungen um?
Nehme ich sie persönlich?
Oder verstehe ich folgendes:
Ich bin vielleicht gar nicht gemeint.
Manchmal gilt der Vorwurf einem Menschen oder einer Situation aus der Vergangenheit.
Frage #27: Welche Geschichte passt am besten?
Geschichten können sie an frühere Zeiten erinnern.
Sammeln Sie Geschichten von früher.
Am besten aus dem eigenen Leben Ihres Gegenübers.
Erzählen Sie diese.
Naomi Feil nennt die erste Phase der Demenz „mangelhafte Orientierung“.
Menschen in dieser Phase sind gut erreichbar über Sprache.
Eine Hilfe kann auch mein Buch sein: „Unsere 50er-Jahre“
Frage #28: Hat mein Gegenüber Schmerzen?
Schmerzen und Unannehmlichkeiten will keiner im Leben.
Jeder möchte diese minimieren.
Kann es sein, dass Schmerz oder Unannehmlichkeit das Verhalten meines Gegenübers erklärt? Kann es sein, dass er unerkannte Schmerzen hat oder Unannehmlichkeiten reduzieren möchte?
Ich will heute mal genau darauf achten, ob mein Gegenüber Signale darüber sendet.
Frage #29: Und meine eigenen Baustellen?
Immer wieder spricht Naomi Feil davon, dass im Alter Dinge hoch kommen.
Sachen, die nicht verarbeitet worden sind.
Alte, verwirrte Menschen reisen dann in ihre Vergangenheit zurück.
Um diese Dinge aufzuarbeiten.
Ich bin jung genug, um Dinge in meinem Leben zu ändern.
Damit sie später nicht zum Problem werden.
Erlaube ich es heute jemandem, mein Leben zu verändern.
Zum Beispiel einem Gedanken…
– meines Partners.
– aus einer Predigt.
– aus einem Buch.
Frage #30: Fühlt sich mein Gegenüber gebraucht?
„Ich bin zu nichts mehr nütze“, klagt die betagte Dame.
Validation nach Naomi Feil nennt ein wichtiges Bedürfnis älterer, desorientierter Menschen:
Gebraucht zu werden.
Hat mein Gegenüber dieses Gefühl?
Oder hat er es vielleicht nicht?
Kann ich ihm dazu verhelfen?
Beispielsweise indem ich ihn in Alltagsaufgaben einbeziehe:
– Wäsche zusammenlegen.
– Hof fegen.
– Blumen gießen.
Frage #31: Hat auch Regenwetter Platz?
Opa sitzt am Fenster und schaut hinaus.
Eine Träne kullert über seine Wange.
Es gibt nicht nur Sonnenschein.
Auch schlechtes Wetter kommt in der Welt der Gefühle einmal vor.
Es darf auch mal Tränen geben.
Negative Gefühle sind nichts Schlimmes.
Wichtiger ist, wie ich damit umgehe.
Also:
Wie gehe ich mit traurigen Gefühlen um?
Haben sie Platz?
Kann ich authentisch stützen, ohne selbst vor Mitleid dabei zu zerfließen?
Validation nach Naomi Feil – und jetzt?
Nun habe ich also aus dem Ansatz Validation nach Naomi Feil 31 Fragen heraus gemeißelt. Fragen, die praktisch sind. Anregungen, die ich in den Alltag mit nehmen kann und daran wachsen kann. Dieser Beitrag ist auch ein Selbstversuch. Ich greife immer wieder eine Frage heraus und lasse mich von ihr begleiten. Einen Tag lang. Ich hoffe, dass ich dem Ansatz Validation nach Naomi Feil mit den von mir heraus interpretierten Fragen keine Gewalt antue – sondern ihn damit umso mehr zur Geltung bringe. Kommen Sie mir mir auf die Reise.
Lassen Sie uns Omas Augen wieder zum Leuchten bringen.
Ihr Uli Zeller